Gleichmässige Vibration, dumpfes Surren und unter mir schichtet sich Wolke über Wolke, ähnlich einem grossen Meer aus Wattepolstern. Meine Gedanken driften ab, wie ich meinen Kopf an die Notausgang-Türe lehne.
Mit dem Geschichtenerzählen verhält es sich ähnlich wie mit dem Reisen, denke ich. Neugierde zieht dich an, vor Ort siehst du dich neugierig um und kehrst mit losen Fragmenten zurück, um sie dann als Erinnerung oder Geschichte mit deinen Mitmenschen zu teilen. Eine Variation des Dia-Abends sozusagen.
Geschenkt, dass sich nicht alle vom Gleichen angezogen fühlen. Die einen flanieren am liebsten durch Paris, andere ziehen den Ballermann vor, während wieder andere vom Trekken auf den Lofoten träumen. Auch bei den Geschichten haben wir die Wahl zwischen Massenware und Individual-Tourismus. Und nicht immer muss man in die Ferne schweifen, um fündig zu werden. Manchmal liegt das Juwel unverhofft vor der eigenen Haustüre, und um in die eigenen Abgründe zu spähen, braucht man kein Fernticket.
Neu möchte die Political Correctness (PC) auch über richtige und falsche Handlungsorte und Perspektiven von Geschichten urteilen. So wie es sich für einen ökologisch vorbildlichen Erdenbürger nicht schickt, die Wolken als Wattepolster zu sehen, da dieser Anblick leider einen riesigen Ökofussabdruck hinterlässt, soll es sich auch nicht gehören, wenn Nicht-Juden über KZ-Häftlinge, Nicht-Schwarze über Schwarze und so weiter schreiben. Eklats an Literaturfestivals folgten bereits.
Wie konnte es so weit kommen? Vermutlich aus einem Missverständnis. Geschichten sind immer Fiktion. Immer erzählen sie uns auch etwas über den Verfasser, manchmal weniger, manchmal offensichtlicher. Auch wenn ich über meine ganz eigenen, persönlichen Zwänge schreibe, lasse ich einiges weg, schmücke anderes aus, und überhaupt ist jeder Blick individuell. Je nachdem kann die Flucht nach vorne, in eine fremde Figur, vielleicht sogar in eine fremde Welt, so befreiend sein, dass die Gefühle, Gedanken und Handlungen, die ich der Figur andichte, weit mehr mit mir zu tun haben und authentischer sind, als wenn ich biografisch schreiben würde. Von Parabeln schon gar nicht zu reden.
Natürlich gibt es auch schlechte Beispiele. Geschichten, welche Klischees und Vorurteile bedienen und zementieren. Aber liegt es an der Distanz und dem Blick auf die "fremde" Kultur? Wohl eher nicht, sind doch auch viele Erzählungen über unsere eigene Lebenswelt gespickt mit Klischees. Einige Erzähler/innen sind eben fantasievoller und fähiger Geschichten zu erzählen als andere.
Da ich weder kulturell, sexuell noch sonst irgendwie einer offiziellen Minderheit angehöre, kann man mir natürlich ein Unverständnis für diese vorwerfen. Ich bin aber in der Subkultur der Skateboard-Szene gross geworden. Da lehnt man auch jede Einverleibung durch die Massenkultur ab. Wenn wir in Filmen oder Büchern auftauchen, dann fast immer klischiert. Sollte es deshalb aber verboten sein, dass Nicht-Skateboarder Filme, TV-Serien oder Bücher aus der Sicht von Skateboardern erzählen? Oder ist es nicht viel eher Sache des Betrachters, diese zu beurteilen und einzuordnen? Wer wirklich etwas über die Sub-Kultur erfahren will, wird sich früher oder später mit den authentischen Erzählungen und Abbildungen konfrontiert sehen. Zudem würde ich nie ausschliessen, dass ein Nicht-Skateboarder "unser" Lebensgefühl oder Philosophie nicht auch einfangen und abbilden kann - es erfordert von ihm einzig ein grosses Mass an Interesse, Recherche und "sich-in-jemanden-anderen-hinein-Denken"!
Ein nerviger Warnruf holt mich zurück. Das "Fasten-your-seatbelt"-Lämpchen leuchtet auf, wir werden in Kürze landen.
Schön!
Ich freu mich auf neue Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen in der Fremde.
Grenzen sind das Letzte, was wir brauchen, in der Kultur und überhaupt!
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